
GBW
"Bürger zwingen EU in die Knie“,
titelte die konservative FAZ und verkündete damit den Erfolg des ersten EU-weiten Referendums „right2water“. Mehr als 1,6 Millionen BürgerInnen aus 11 Ländern hatten mit ihrer Unterschrift dagegen protestiert, dass mit dem Zwang der Ausschreibung die Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung eingeleitet wird. Nun hat die EU nach dem Vorschlag des EU-Kommissars Barnier auf die Konzessionsrichtlinie für Wasser verzichtet. Dies ist ein bemerkenswerter Erfolg der Demokratie in einer EU, die ansonsten mehr auf große Konzerne hört.
Einen erheblich Anteil an diesem Sieg über die Wasserkonzerne hat „Water Makes Money“ - ein "Film von unten", der europaweit trotz massiver Einschüchterungsversuche und Klagen gegen die FilmemacherInnen viele viele hundertmal gezeigt worden ist (u.a. von der Grünen Bildungswerkstatt). Das gibt Mut und Vertrauen in die Kraft der Aufklärung, die Macht der vielen Kleinen gegen die mächtigen Großen!
Wer rettet Wen ?
Gerade zurück von den Dreharbeiten zum Folgeprojekt „Wer Rettet Wen?", steht das Filmteam noch ganz unter dem Eindruck eines Landes, in dem Demokratie zur wohlfeilen Floskel verkommen ist: Griechenland. Eine Interviewanfrage an den griechischen Finanzminister wurde mit der Begründung abgelehnt, dass "das ganze Ministerium augenblicklich Kopf steht". Alle seien hochnervös, weil wieder die Troika im Anmarsch ist. Tage später im Abenddunkel rollen Panzer durch Athen, wie zuletzt zu Zeiten der Diktatur. Überall dort, wo nicht genügend Menschen Widerstand leisten, werden die Einrichtungen des öffentlichen Radios und Fernsehen von bewaffneten Einheiten besetzt. Die Bildschirme werden schwarz, Radios schweigen. Nur vor dem zentralen Sendezentrum in Athen haben sich rechtzeitig Tausende versammelt, bereit der Räumung Widerstand zu leisten. Ihrem Mut ist es zu verdanken, dass die Einsatzkräfte letztlich zurückschrecken gegen diese Masse von Menschen und die Besetzung des Senders vorzugehen. Bis heute wird das Gebäude verteidigt. Und das Programm des öffentlichen TV und Radio ERT ist weiter zu sehen und zu hören mit Hilfe der Hackerorganisation „Anonymous“. Mal läuft ERT auf der Webseite des Finanzministeriums, mal auf der des Parlaments ..…
Die Hintergründe der Schließungsverfügung enthüllen die übergangenen Koalitionspartner des griechischen Regierungschefs Samaras: Die inzwischen eingetroffenen Troika hatte unmissverständlich die sofortige Entlassung von mindestens 2000 Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes gefordert. Sonst würde die nächste Zahlung storniert. Derart in die Enge gedrängt, glaubte Samaras mit einer einsamen Entscheidung einen gordischen Knoten zu durchtrennen. Die Schließung von ERT erlaubte ihm der Troika auf einen Schlag 2600 entlassene Beschäftigte des öffentlichen TV und Radio zu präsentieren. Nebenbei wurde die letzte potentiell kritische Stimme einer nun nur noch aus Privaten bestehenden Medienlandschaft erstickt.
Demokratie suspendiert
Schon im Frühjahr vergangenen Jahres mussten die drei Regierungsparteien unterschreiben, dass sie in Zukunft jederzeit den Anweisungen der Troika folgen – ganz unabhängig davon, welche Abgeordnete dieser Parteien bei den nächsten Wahlen ins Parlament kommen. In Wahrheit regiert die Troika, und das Memorandum vom März 2012 hat die griechische Verfassung außer Kraft gesetzt. Gleichzeitig hat dieser Griechenland aufgezwungene Vertrag die Schulden des Landes auf die europäischen SteuerzahlerInnen transferiert. D.h. wir alle haften jetzt größtenteils für diese Schulden. Die bisherigen Gläubiger, private Banken, wurden von jedem Risiko befreit. Gleichzeitig regelt das Memorandum, dass die Schulden nun nicht mehr griechischem Recht, sondern dem gläubigerverbundenen englischen und luxemburgischen Recht unterliegen. Die Chancen für einen künftigen wirklichen Schuldenschnitt sollten für Griechenland damit ausgeschlossen werden. Eine ausweglose Situation für ein Land, in dem per Erlass die Löhne nahezu halbiert und die sozialen Sicherungssysteme praktisch abgeschafft wurden. Vor diesen und anderen „Rettungsmaßnahmen“ betrugen die griechischen Staatsschulden ca. 115% des Bruttosozialprodukts. Jetzt sind es 192% – Tendenz steigend!
IWF stellt klar: Es ging nur um Bankenrettung
Pikant, was jetzt der IWF – eine der drei Troikamächte – dazu veröffentlichte: Man habe sich 2009 mit der Forderung nach einem klaren Schuldenschnitt nicht durchsetzen können. Dies hätte nur ein Bruchteil der bisher vergebenen „Hilfen“ gekostet und Griechenland die Möglichkeit des wirtschaftlichen Neubeginns eröffnet. Doch aus Rücksicht auf die beteiligten Banken – vor allem deutsche und französische Banken – hätte man darauf verzichtet, um diesen erhebliche Verluste zu ersparen. Die EU und die Europäische Zentralbank hätten in weiterer Folge im Auftrag der Banken den griechischen Schuldenschnitt 2009 verhindert. Im Klartext: Ziel war nicht die Rettung Griechenlands, Ziel war die Bewahrung großer Banken vor jeglichem Verlust - auf Kosten eines Großteils der griechischen Bevölkerung.
So wurde ein ganzes Land in die Schuldenfalle gelockt, erpressbar gemacht für ein in Europa bisher einmaliges neoliberales Experiment. Hier wird exekutiert, wovon schon Reagan, Milton Friedman, Thatcher und auch die griechischen Reichen seit langem träumten: Die Beseitigung der Sozialversicherung, die Reduzierung der Renten auf Hungerniveau, die Abschaffung des Streikrechts, um letztlich die Menschen jeglicher Rechte zu berauben und zu demütig Bittenden zu machen.
Dieses Experiment macht Angst - und findet seine Fortsetzung in Spanien, Portugal, Irland und mittlerweile Italien. Einzelne Versatzstücke, wie die Deregulierung der Arbeitsverhältnisse, Werkverträge, Leiharbeit und Befristung als Regelfall, haben sich auch in Deutschland schon durchgesetzt.
Doch Solidarität macht Mut !
Während das Filmteam in Griechenland drehte, wurden weitere 20.000 € für „Wer Rettet Wen?" gespendet. Mehr als tausend FörderInnen haben bereits mehr als 80.000 € zusammengetragen! Das Ziel bis Herbst sind mindestens 120.000 € „Filmförderung von unten“.
Wie schon bei WATER MAKES MONEY hat diese Art des Fundraisings einen weitgreifenden Multiplikationseffekt: Jede Förderin und jeder Förderer bekommt nach Beendigung des Filmes eine DVD, die nicht nur in den privaten Wohnzimmern flimmert. Wieder werden viele Menschen europaweit Veranstaltungen organisieren, diskutieren und aufklären.
Die Grüne Bildungswerkstatt wird auch diesen Film fix ins Programm nehmen.
Mehr lesen:
www.wer-rettet-wen.org | Wer rettet Wen auf Facebook
Internationaler Aufruf zur Unterstützung des Filmprojekts:
Kurzvideo:
http://www.wer-rettet-wen.org/index.php/de/teaser